Schott Music

Zum Verlag

Der erste Kontakt zwischen Carl Orff und dem Schott-Verlag lässt sich auf das Jahr 1911 datieren, in dem Orff sich dort nach den Möglichkeiten zur Veröffentlichung seiner Liedsammlung Eliland erkundigte. Eine persönliche Begegnung kam dann erstmals mit Dr. Ludwig Strecker (1883–1978) – die Brüder Ludwig und Willi Strecker (1884–1958) waren seit 1909 als Mitinhaber des Schott-Verlages an der Leitung des väterlichen Unternehmens beteiligt – am 17. April 1925 in Mannheim anlässlich der Uraufführung von Orffs erster Fassung der Bearbeitung von Monteverdis Orfeo am dortigen Nationaltheater zustande. Dieser Zusammenkunft entwuchs eine fruchtbare, freundschaftliche und nachhaltig andauernde Verbindung zu den Brüdern Strecker und dem Schott-Verlag. Beginnend mit dem Textbuch zu Orffs Orpheus, das 1925 bei Schott erscheinen konnte, wurden seither, wie er auch selbst in seiner Dokumentation mitteilt, »alle Werke ausschließlich beim Verlag B. Schott’s Söhne, Mainz, herausgegeben.«

Carl Orff mit den Brüdern Willi und Dr. Ludwig Strecker, 1953

In folgendem Beitrag, der 1973 in einer Festschrift anlässlich des 90. Geburtstags von Dr. Ludwig Strecker erschien, ließ Carl Orff seine freundschaftliche Verbindung zu Strecker und die über Jahrzehnte andauernde Zusammenarbeit mit dem Schott-Verlag Revue passieren.

Carl Orff

Dank an Ludwig Strecker

Lieber Ludwig, lieber Freund, Geburtstage – besonders solche wie Dein diesjähriger – führen zwangsläufig dazu, Erinnerungen zu beschwören. Wann sahen wir uns zum ersten Mal? Ich glaube, es war im April 1925 am Nationaltheater in Mannheim anläßlich der Aufführung meiner 1. Fassung von Monteverdis »Orfeo«. Diese war mit viel Begeisterung und noch nicht genügend Können meinerseits und zu wenig Verständnis andrerseits unternommen worden. Du konntest Dich nach der Aufführung aus dem Manuskript nicht zu einer Drucklegung entschließen und hattest sehr recht, die unreife Frucht nicht zu pflücken. Schließlich, nach vielen Umarbeitungen, erschien das Werk doch noch im Schott-Verlag, und großzügig gabst Du es im Laufe der Jahre in immer wieder neuen Fassungen heraus. […]

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Carl Orff

Dank an Ludwig Strecker

Lieber Ludwig, lieber Freund,

Geburtstage – besonders solche wie Dein diesjähriger – führen zwangsläufig dazu, Erinnerungen zu beschwören.

Wann sahen wir uns zum ersten Mal? Ich glaube, es war im April 1925 am Nationaltheater in Mannheim anläßlich der Aufführung meiner 1. Fassung von Monteverdis »Orfeo«. Diese war mit viel Begeisterung und noch nicht genügend Können meinerseits und zu wenig Verständnis andrerseits unternommen worden. Du konntest Dich nach der Aufführung aus dem Manuskript nicht zu einer Drucklegung entschließen und hattest sehr recht, die unreife Frucht nicht zu pflücken. Schließlich, nach vielen Umarbeitungen, erschien das Werk doch noch im Schott-Verlag, und großzügig gabst Du es im Laufe der Jahre in immer wieder neuen Fassungen heraus.

Eine weitere Begegnung bleibt mir unvergeßlich. Du erinnerst Dich sicher noch daran: ich traf Dich im Jahr 27 mit Deinem Bruder Willy in Berlin. Ich trug zwar keinen Dolch, aber die Partitur eines Cembalokonzertes im Gewande. Wir saßen zu dritt in einem Cafe am Kurfürstendamm, und ich versuchte Dir klarzumachen, wie entscheidend wichtig es für den Verlag sei, daß dort dieses Konzert erscheine. Meine Suada reichte aber nicht aus, Du brachtest alle nicht neuen Gegengründe von der »Überlastung des Verlags« u. ä. vor und lehntest mein Ansinnen freundlich ab. Da kam ein Deus ex machina in seltsamer Vermummung sehr pressiert an unseren Tisch, zeigte ein Briefmarkenalbum, das er schnell als Notverkauf veräußern wollte – nur 200 Mark! Deine bekannte Sammlerleidenschaft war angestachelt, Du hattest Dich aber auf Briefmarken noch nicht spezialisiert und frugst mich, ob ich davon etwas verstünde, ob ich zu dem Kauf raten würde. Ich sah die Sammlung flüchtig an: »Entweder gestohlen oder gefälscht, die Marken sind meiner Schätzung nach mehr als das Zwanzigfache wert und könnten ohne Notverkauf jedem Fachgeschäft angeboten werden. Also Hände weg von diesem Geschäft!« Kurz darauf kam die Polizei, die nach dem Markenverkäufer, der längst verschwunden war, suchte. Darauf zog ich wieder schüchtern meine Partitur hervor: »Ich habe Sie vor dem Ankauf der gestohlenen Marken, also mindestens vor dem Gefängnis, bewahrt. Als Dank sollten Sie doch das Konzert drucken.« Ihr verstandet die höhere Fügung, wart sehr amüsiert und nahmt so mein erstes eigenes opus in den Verlag.

Im Jahr 1930 traf ich anläßlich eines Musikfestes Deinen Bruder Willy in Königsberg. Ich hatte eben die ersten Hefte meines »Schulwerks« im Manuskript fertig. Dein Bruder wußte von meinen pädagogischen Bemühungen schon durch Dich, da Du einige Male meinen Unterricht in der Güntherschule in München gesehen hattest und von den neuen Ideen, den neugebauten Instrumenten und nicht zuletzt von den charmanten jungen Mädchen, die sie bedienten, sehr beeindruckt warst. Nun legte ich während eines zweistündigen Spaziergangs Deinem Bruder alle meine damals revolutionären Pläne für eine neue Musikerziehung dar und sparte dabei nicht an großen prophetischen Worten. Am Schluß meinte er, nicht unbeeindruckt: »Ich finde Ihre Ideen sehr interessant, die Schwierigkeit ist nur, wie wollen Sie sie durchsetzen. Ich verstehe wohl, daß Sie gedrucktes Material brauchen, aber muten Sie mir als Verleger nicht etwas viel zu? Ich soll Noten drucken für Instrumente, die es außer Ihren paar Versuchs- und Musterexemplaren noch gar nicht gibt, ich soll eine Pädagogik propagieren, für die es noch keine Lehrer und sicher noch wenig Verständnis gibt. Aber Ihr ganzer Plan ist so phantastisch und verrückt, daß ich ein paar Versuchshefte drucken will.« Das war ein Startschuß, ohne ihn wäre das »Schulwerk« nie in so vielen Sprachen über die ganze Welt gegangen. Im Laufe der Zeit erschienen nahezu 100 Bände und Hefte, es bleibt eine verlegerische Tat!

In den folgenden Jahren erschienen dann mehrere kleine Werke, die nicht weiter aufregend waren, bis ich 1936 die Partitur der »Carmina Burana« fertigstellte. Wieder etwas Ausgefallenes: ein lateinisches Chorwerk für die Bühne, ohne Handlung, nicht abendfüllend, alles Kennzeichen, die einem Erfolg erfahrungsgemäß entgegenstehen. Ich spielte das Werk im Wagnersaal vor, und Du und Dein Bruder wart zwar von der Musik überzeugt, nur der scheinbar unverständliche Text machte Kopfzerbrechen und ließ an einem Erfolg zweifeln. Aber alles, was man erfahrungsgemäß über Erfolg und Nichterfolg voraussagen konnte, wurde immer wieder bei mir zuschanden. Wie es mit »Carmina Burana« weiterging, wissen wir, da das ja schon Musikgeschichte ist.

Dann kamen »Mond« und »Die Kluge«. Du warst vom Text beider Stücke angetan, aber Dein Kummer war, daß beide, jedes für sich, nicht abendfüllend waren. So etwas sei, außer bei dem berühmten Gespann »Cavalleria« und »Bajazzo«, noch nie gut gegangen. Dazu kam, daß der »Mond« szenisch ungemein schwer zu realisieren war. »Die Kluge« hat sich aber doch in der ganzen Welt, in vielen Sprachen gespielt, durchgesetzt. So hat sich Dein anfänglicher Kummer bald erhellt.

Darauf kam wieder ein ausgefallenes lateinisches Stück, »Catulli Carmina«, das sich als Trumpfkarte erwies. Allerdings gab es anläßlich der ersten Aufführung des Werks an der Mailänder Scala Schwierigkeiten. Der für damalige Begriffe etwas freie, »erotische« Text – zwar ganz dem klassischen Latein verpflichtet – erweckte in Italien, wo man Latein besser verstand, Bedenken. Ich mußte mich, obwohl es mir sehr gegen den Strich ging, mit einer verharmlosten, aber nicht sehr glücklichen Textänderung einverstanden erklären. Es wurde also im Verlag neues Material mit entschärftem Text hergestellt. Als ich zur Probe nach Mailand kam, war ich höchst überrascht und erfreut, den Chor im Originaltext zu hören. Ein Kobold hatte sich wohl in die Versandabteilung des Verlags eingeschlichen und die Fassungen vertauscht. So geriet wieder die alte nach Mailand. Niemand nahm mehr Anstoß, alle Befürchtungen erwiesen sich als gegenstandslos, und der »Catull« wird in meinem Originaltext gesungen bis auf den heutigen Tag.

Und nun der »Sommernachtstraum«: seit 1914 hatte mich eine Musik zu diesem Stück beschäftigt und nicht mehr losgelassen. Die ersten beiden Versuche hätte ich Dir zum Druck gar nicht zugemutet, erst die dritte, völlig neue Fassung, nahmst Du in den Verlag. Aber schon bald hatte ich ganz neue Ideen, und Du brachtest auch meine vierte Fassung heraus. Sie wurde nie gespielt, da inzwischen eine fünfte herangereift war, die Du unverdrossen brachtest. Damals schon habe ich Dich im stillen wegen Deiner Geduld und Nachsicht sehr bewundert. Gestählt durch den vielen Kummer, den Du mit mir hattest, und im Vertrauen, daß es letztlich immer noch leidlich ausging, gabst Du auch meine letzte, meine sechste Fassung im Druck heraus – eine verlegerische Freundestat. Und wie schlecht habe ich sie Dir gedankt: »Die Bemauerin – ein bairisches Stück«. Um Gottes willen, Latein reicht nicht mehr, nun noch alter bayrischer Dialekt. Du spieltest wieder unverdrossen mit, und ich weiß, daß Du gerade dieses Stück für eines meiner besten hältst. Die wiederum bairische Komödie »Astutuli« war noch eine Zuwaage.

Doch die Moiren bereiteten neue Prüfungen für Dich vor. Hölderlins »Antigonae« stand Dir ins Haus. »Vom zuvorgesetzten Verhängnis hat kein Sterblicher Befreiung« heißt es da. Ich kann verstehen, daß Du einen leichten Schüttelfrost bekamst, als Du von dem ausgefallenen Plan hörtest, eine ungekürzte griechische Tragödie in der damals noch als höchst dunkel geltenden Übertragung von Hölderlin zu bringen. Wiederum alles gegen jede Opernerfahrung und -gepflogenheit. Ein Experiment, für das man verschiedene Schlaginstrumente erst eigens bauen mußte. Du nahmst die Prüfung an, und ich hätte Dir nur gewünscht, den Triumph der Aufführung des deutschen Hölderlin mit seiner Sophokles-Übertragung in Athen im Theater Herodes Atticus zu erleben.

Bisher hatte ich Dir Griechisch noch erspart. Es brach nun aber auch dieses noch mit »Trionfo di Afrodite« über Dich herein. Wenn heute auch Kompositionen in den verschiedensten alten und neuen Sprachen gang und gäbe sind, so war dies damals Neuland.

Da eine Prüfung selten allein kommt, fügte ich der »Antigonae« später den »Ödipus« an. Du warst nun schon unerschütterlich. Wiederum hatte das Schwesterwerk besonderen Erfolg in Athen.

Das crescendo meiner Forderungen war nicht mehr aufzuhalten. Es war eine neue Karte, die ich ganz vorsichtig ausspielte. Nach den Hölderlinschen Übertragungen nun eine ungekürzte griechische Tragödie in der Originalsprache: der »Prometheus« des Aischylos. Daß solch ein Werk exorbitante Aufführungsschwierigkeiten mit sich brachte, lag auf der Hand. Jedenfalls war es für einen großen Erfolg oder gar Serienerfolg denkbar ungeeignet. Die mit besonderer Akribie hergestellte Ausgabe: Partitur, Klavierauszug, Textbuch und Studienpartitur in Originalsprache, Lautschrift, Interlinearübertragung und freier Übersetzung ist eine Großtat des Verlags Schott.

Finis coronat opus, die Erwähnung meines bisher letzten Werkes, »De temporum fine comoedia«, soll als Schlußstein auch diese Epistel beschließen. Nun sei umarmt und bedankt für »alle Lieb und Treu«. Wir haben mit vereinten Kräften ein Werk hingestellt, das einigen Bestand haben mag und Zeugnis geben soll von unserem Vertrauen in eine Zukunft, die einer großen Vergangenheit würdig ist.

Wie immer Dein

C. O.

Schott Music

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Historie

  • Gründung 1770 durch Bernhard Schott
  • Fortführung als B. Schott’s Söhne und Schott Musik International, seit 2006: Schott Music
  • Verleger heute: Dr. Peter Hanser-Strecker
  • Standorte in Mainz, London, New York, Madrid, Beijing, Tokio und Toronto
Nachweise

Textnachweis:

Carl Orff: »Dank an Ludwig Strecker«, in: Festschrift für einen Verleger. Ludwig Strecker zum 90. Geburtstag, hrsg. v. Carl Dahlhaus, Mainz 1973, S. 13–15.

Bildnachweis:

Foto Orff/Strecker 1953 © Archiv Schott Music