De temporum fine comoedia

Das Spiel vom Ende der Zeiten

Vigilia

 

Texte aus den Sibyllinischen Büchern und den Orphischen Hymnen

Übersetzung aus dem Griechischen von Wolfgang Schadewaldt

 

Besetzung: Solisten, Chor, Orchester

Sprache: altgriechisch, lateinisch, deutsch

Entstehungszeit: 1969–1979, rev. 1981

Uraufführung (szenisch): 20. August 1973 Salzburg, Großes Festspielhaus (A) Salzburger Festspiele 1973 · Dirigent: Herbert von Karajan · Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester · Kölner Rundfunk-Chor; RIAS Kammerchor; Tölzer Knabenchor · Choreinstudierung: Gerhard Schmidt-Gaden, Uwe Gronostay, Herbert Schernus · Inszenierung: August Everding · Kostüme: Andrzej Majewski · Bühnenbild: Günther Schneider-Siemssen · Choreographie: John Neumeier

Konzertante Uraufführung der Neufassung (1979): 5. Oktober 1980 München (D) · Dirigent: Rafael Kubelik · Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Bayerisches Staatsorchester · Chor des Bayerischen Rundfunks, Chor des Süddeutschen Rundfunks · Choreinstudierung: Heinz Mende

Uraufführung endgültige Fassung (revidierte »Ulmer Fassung« 1981): 15. Mai 1994 Ulm, Theater (D) · Dirigent: Alicja Mounk · Philharmonisches Orchester Ulm · Inszenierung: Michael Simon · Kostüme: Anna Eiermann · Bühnenbild: Anna Eiermann

Aufführungsdauer: 65′

Besetzung detailliert

Personen: I. Die Sibyllen: Neun Sibyllen · 3 dramatische Soprane, 4 Mezzosoprane, 1 Alt, 1 tiefer Alt – II. Die Anachoreten: Neun Anachoreten · 1 Tenor, 5 Baritone, 2 Bässe, 1 tiefer Bass – III. »Dies illa«: Die letzten Menschen (drei große gemischte Chöre, kleiner Frauenchor im Orchester) – Der Chorführer · Sprecher – Lucifer · Sprecher – Alt solo, Tenor solo, Knabenstimmen

Orchester: 6 (alle auch Picc.) · 0 · 6 Es-Klar. (1.-3. auch Klar.) · 0 · Kfg. – 6 · 8 · 6 · 1 – P. (auch Holzp.) S. (2 Glsp. · 5 Crot. · 3 Xyl. · 2 Marimba · Metallophon · Gong · Beckenpaar · hg. Beck. · 5 Tamt. · 6 Tamb. · 3 Rührtr. · 3 Tomt. · 6 Cong. · 1 tiefe Cong. · 3 kl. Tr. · 2 gr. Tr. · 3 Darabukka · Dobaci · 5 Bronzegl. · Guiro · Peitsche · Mar. · 6 Kast. · Hyoshigi · Angklung · 3 Holzgl. · 5 Holzbl. · 2 Ratschen · 3 Kirchenratschen · 11 Gläser [od. Glashfe.] · 2 kl. Gl. · Steinspiel) – 3 Hfn. · Cel. · 3 Klav. · Org. · E-Org. – 8 Kb.

Tonband (von den Veranstaltern selbst zu erstellen): Picc. (ad lib.) – 2 Trp. – P. S. (Crot. · Marimba · Gl. · Windmasch.) – 3 Klav. – 3 Kb. – Knabenchor

 

Aufführungsmaterial Schott Music

Inhalt

Das Werk besteht aus drei Teilen bzw. Bildern. Im 1. Bild verkünden die Sibyllen – heidnisch-antike Prophetinnen – das schreckensvolle Ende der Welt. Die gottlosen Menschen, von Unverstand und Besitzgier getrieben, werden im ewigen Feuer büßen müssen und auf immer verdammt sein. Im 2. Bild setzen die Anachoreten – frühchristliche Einsiedler – diesen Prophezeiungen ein schroffes »Nein« entgegen und nennen sie Trug und Blendwerk. In diesem Teil des Werks fallen die zwei bestimmenden Kernsätze: »Nihil contra deum nisi deus ipse« (»Nichts ist gegen Gott außer Gott selbst«) sowie zuvor der Satz des Kirchenlehrers Origenes: »Omnium rerum finis erit vitiorum abolitio« (»Das Ende aller Dinge wird aller Schuld Vergessung sein«). Die Anachoreten erkennen, dass das Böse zum Weltenplan des Schöpfers gehört und an das zeitlich begrenzte Sein der Menschen gebunden ist. Beim Schöpfungsakt hat die Gottheit auch das Böse aus sich entlassen, hat sich selbst entzweit. Darin aber wohnt die Hoffnung auf eine kommende Wiedervereinigung am Zeitenende. Die Anachoreten bitten um »Hellsicht« im Traum. Im 3. Bild, Dies illa betitelt, tritt das Ende von Welt und Kosmos in Gestalt einer vom »Traumgott« geschickten Vision ein. In dem Moment, in dem die »letzten Menschen« in namenloser Angst bereits die Flammen des »Tartarus« aufleuchten sehen, ereignet sich das Unglaubliche: Lucifer – der »Lichtträger«, der Rebell, der von Gott abgefallene und aus dem Himmel gestürzte Engelsfürst und Verführer der Menschen – erscheint »inmitten der Hauptbühne«. Mit dem dreimaligen Bekenntnis »Pater peccavi« (»Vater, ich habe gesündigt«) bereut Lucifer seine Rebellion und kann so in die Gottheit wieder hineingenommen werden. Das erwartete Weltgericht als Strafe und Abrechnung von Sünde findet nicht statt. Durch Lichtstrahlen wird er rückverwandelt in den »Lucifer von einst«. In der Gestalt des Lucifer als Symbolträger für die »Vergessung aller Schuld« endet so die durch die Schöpfung der Welt eingetretene Selbstentzweiung des Göttlichen mit der Zurücknahme des Bösen oder besser: mit der Rückkehr der Gottheit in sich selbst. Eine »Vox mundana«, bestehend aus einem Chor mit Tenor- und Altsolo, erklingt daraufhin immer leiser bis zum völligen Erlöschen; die Worte lauten: »Venio ad te – tu paraclitus es et summus finis« (»Ich komme zu dir – du bist der Tröster / Löser und das letzte Ziel«). »Voces caelestes« antworten: »Ta panta Nus« (»Alles ist Geist«). Ein rein instrumentaler Gambenkanon, von der Szene scheinbar gänzlich gelöst, beschließt das Werk. (Thomas Rösch)

Nachweise

Textnachweis Inhalt:

Rösch Thomas: »Carl Orff: De temporum fine comoedia«, in: Komponisten in Bayern, Bd. 65: Carl Orff, hrsg. von Theresa Henkel und Franzpeter Messmer, München 2021, S. 178-189.

Bildnachweis:

[Titelseite] Carl Orff: De temporum fine comoedia – Das Spiel vom Ende der Zeiten – Vigilia, Partiturautograph, 1971, BSB, Musikabteilung, Nachlass Carl Orff, Orff.ms.56 | © Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München.