Astutuli

Eine bairische Komödie

 

Besetzung: Schauspieler, Orchester

Sprache: deutsch

Entstehungszeit: 1946–1948, rev. Neufassung 1953

Uraufführung: 20. Oktober 1953 München, Münchner Kammerspiele (D) · Dirigent: Karl List · Inszenierung: Hans Schweikart · Kostüme: Liselotte Erler · Bühnenbild: Helmut Jürgens

Aufführungsdauer: 50′

 

Astutuli zählt zur Werkgruppe Bairisches Welttheater

Besetzung detailliert
Personen (Schauspieler): Zween Landsterzer – Zween Burger – Jörg Zagelstecher, der Burgermeister – Seine Tochter Fundula – Hortula und Vellicula, Gespielinnen – Drei Sponsierer – Die drei vom hochweisen Rat – Wunibald Hirnstößl, der Wachter – Der fremde Gagler – Die Fahrende – Burger einer kleinen alten Stadt – Manner und Weiberleut – Junge und Alte

Orchester: Trp. · Tb. – 3 P. S. (Xyl. · Fingerzimb. · Beckenpaar · hg. Beck. · Handtr. · 3 Rührtr. · 2 kl. Tr. · Tamb. · gr. Tr. · gr. Tr. m. Beck. · 3 Holzbl. · Steinspiel · 4-5 Gläser · Rasseln · Kast. · Ratsche · Windmasch.) (8-9 Spieler)

Auf der Bühne: hg. Beck.

 

Aufführungsmaterial Schott Music

Inhalt
Die Superschlauen der Welt gilt’s über den Tisch zu ziehen! Wie? Man lädt marktschreierisch zu einem Spektakel! Und vom Bürgermeister bis zum Pöbel des Städtchens kommen sie auch schon gerannt. Trickreich lügen der Gagler und seine Spießgesellen ihrem Publikum ein Wolkenkuckucksheim vor: Zunächst zaubern sie Sankt Onuphri, den zotteligen Patron der Weber, auf ihre Bretterbühne. Ihm folgt die Erscheinung des sagenhaft(en) frechen Goggolori. Da keiner der überschlauen Zuschauer eingestehen will, die beiden Spukgestalten überhaupt nicht zu sehen, haben die Schwindler leichtes Spiel; denn wer sich solches vorschwindeln lässt, den kann man um mehr als seine Wahrnehmungsfähigkeit erleichtern: Mit Hokuspokus hext der Gagler ein Gewand, so fein gewebt, dass es mit bloßem Auge gar nicht zu erkennen ist. Alle bestaunen die Pracht des Gewirks, das zu allem Luxus auch noch die Fähigkeit verspricht, einen Blick in die Zukunft zu gewähren. Und so zögert der Bürgermeister nicht, sich Hemd und Hose vom Leib zu reißen und in das Prachtgewand zu springen. Freilich, alle anderen wollen da nicht hintanstehen und tun es ihm sofort nach; schließlich will sich ein jeder einmal das magische Gewand überwerfen. Allerdings dämmert‘s keinem, dass bald alle nur noch in Unterhemd und Unterhose dastehen, während die Helfershelfer des Gaglers die Kleider der Bürger samt Geld und Schmuck einsacken. Zunächst denken sich die Angeschmierten daher auch nichts, als es plötzlich zappenduster wird, weil die Spitzbuben die Laternen löschen. Aber im Dunkeln kommt den Bürgern plötzlich die Erleuchtung: Sie wurden um ihr Hab und Gut geprellt! Wütend brechen sie auf, die Gauner zu verprügeln. Die freilich sind längst über alle Berge. Doch halt, lachen da nicht ein paar Zuschauer im Publikum? Aha, die stecken also mit den Trickbetrügern unter einer Decke; warum würden sie sonst so boshaft lachen?! Unter wüsten Beschimpfungen fordern alle Geprellten die Kleidungsstücke des Publikums. Beinahe kommt es zu Handgreiflichkeiten. Nur das erneute Auftreten des verkleideten Gaglers verhindert Schlimmstes. Was er diesmal im Schilde führt? Hosenknöpfe zu Goldmünzen kann er verwandeln …
Kommentar
Orffs »bairische Komödie« von den über den Tisch gezogenen Schlaubergern verwendet ein Thema, das sich durch die ganze Weltliteratur zieht: Man findet es bei Plautus, Hans Sachs, Miguel de Cervantes und nicht zuletzt auch bei Hans Christian Andersen.

Der kuriose Stücktitel leitet sich vom lateinischen »astutus« (schlau) ab, wobei die Diminutivform astutulus mit »ziemlich schlau« übersetzt werden kann. Astutuli bedeutet also so viel wie »Die Schlaumeier«. Und mit genau dieser lateinischen Bezeichnung setzt das Stück auch ein: Der Gagler (Gaukler) lockt sein Publikum mit dem Ruf Astutuli! hinter dem Ofen hervor.

Astutuli ist ein Stück für Schauspieler. Dabei findet der Verzicht auf Gesang seine Entsprechung im fast gänzlichen Verzicht auf Melodie. Im Gegenzug tritt das rhythmisierte Sprechen des deftigen Textes umso mehr in den Vordergrund. Der Verzicht auf melodische Gestaltung spiegelt sich letztlich auch im Orchester: Bis auf die Trompete ist es um jegliches Melodieinstrument beschnitten, bringt aber stattdessen ein Feuerwerk an Schlaginstrumenten, die das gesprochene Wort auf vielfältige Weise intensivieren.

Nachweise

Textnachweis Inhalt/Kommentar:

Johannes Schindlbeck: »Astutuli«, in: Carl Orff. Ein Führer zu den Bühnenwerken, Mainz 2015, S. 74-77.

Bildnachweis:

[Titelseite] Carl Orff: Astutuli, Partitur, Faksimile-Ausgabe, Mainz 1985.